Die Wahrheit über Muskelkater

Vermutlich jeder hat schon mal einen Muskelkater (engl. DOMS) erlebt. Für viele ist es ein Zeichen für ein gutes Training. Denn nur wer richtig hart trainiert regt seinen Körper zum Aufbau an. Und nur wer Muskelkater hat, hat auch gut trainiert. Ist das wirklich so? Dieser Frage gehe ich in diesem Artikel auf den Grund.

Während intensiven Krafttrainings kommt es zu kleinen Muskelrissen (Mikrotraumata), bzw. sogar zu Muskelabbau. Dieser Muskelabbau ist wichtig, denn er regt den Körper zum Aufbau (Proteinsynthese) an. Ist nun der Aufbau stärker als der Abbau, so gibt es Grund zur Freude, man hat Muskeln aufgebaut. Genauer gesagt: innerhalb der Muskelzelle kam es zu zusätzlichem Einbau von Sarkomeren, den kleinsten funktionellen Einheiten des Muskels. Die zweite Form des Muskelaufbaus ist durch eine Vergrößerung der Energiespeicher (Sarkoplasma) möglich. Um Muskeln aufzubauen benötigt es also einen ausreichend starken Reiz, Nährstoffe in Form von Nahrung und angemessene Regeneration um den Muskel stärker zu machen.

Muskelkater gibt uns jedoch kein Feedback über das was „innerhalb“ der Muskelzelle passiert. Denn hier haben wir keine Rezeptoren. Muskelkater gibt uns Feedback über das was außen herum passiert. Hier haben wir Rezeptoren. Und diese Schäden an der „Hülle“ haben keinen Einfluss auf Muskelaufbau! Diese Entzündungen brauchen eine gewisse Zeit bis sie erst zu schmerzen beginnen. Zusätzlich strömt Wasser und Blut in den Muskel um ihn zu reparieren. Das „quellt“ den Muskel auf und kann ebenso auf die Rezeptoren drücken. Daher dauert es immer einige Stunden bis Muskelkater eintritt.

Es kann zum Beispiel vorkommen, dass ein Bodybuilder, welcher nie Laufen geht, nach einer 30 minütigen Laufeinheit Muskelkater bekommt. Jedoch war der Reiz natürlich niiiieeeemals groß genug um Muskelaufbau anzuregen. Die ungewohnten dauernden exzentrischen (nachgebenden) Belastungen beim Laufen, haben seine „Muskelhülle“ verletzt. Jedoch keinen muskelaufbauenden Reiz gesetzt.

Man kann genauso durch ein optimales Krafttraining im „inneren“ des Muskels einiges zerstören und so die Proteinsynthese anregen OHNE die Hülle zu zerstören, und somit KEINEN Muskelkater bekommen. (Optimalfall)

Muskelkater ist jedoch oft nicht zu vermeiden. Trainiert man aber mit einer gewissen Regelmäßigkeit wird der Muskelkater immer geringer ausfallen, da es schwieriger wird den Muskel zu schädigen. Zusätzlich gibt es einfach Menschen die sensiblere Rezeptoren haben und eher Muskelkater spüren als andere. Außerdem wird die Schmerzempfindlichkeit durch regelmäßiges Training herabgesetzt

No pain, no gain?? Mehr ist nicht immer mehr

Die Proteinsynthese in einem richtig belasteten Muskel ist je nach Intensität und Trainingszustand zwischen etwa 12 (Profi) und teilweise 72 Stunden (Anfänger) erhöht. Das bedeutet der Muskel wird in dieser Zeit stärker. Hat man aber jetzt 5 Tage Muskelkater, in welchen man pausiert, so hat man einige Zeit verschwendet wo man eigentlich den Muskel wieder trainieren hätte sollen um maximale Fortschritte zu erreichen.

Das Problem ist jedoch, dass ab einem gewissen Trainingszustand der Reiz so stark sein muss, dass er auch Schäden verursachen wird und man dementsprechend längere Regeneration braucht. Jedoch werden im Amateur Bereich trotzdem viel zu viele unnötige Sätze gemacht in einer zu hohen Intensität. Das bedeutet, dass durch viele Sätze gar keine höhere Proteinsynthese angeregt wurde. Diese Sätze waren einfach nur verlorene Zeit. Und schlimmer noch, sie waren sogar kontraproduktiv, da sie die Regeneration verlängern und sogar durch die vermehrte Muskelzerstörung zu geringerem Aufbau führen können. Hat man natürlich ein sehr hohes Niveau, ist es jedoch wie oben erwähnt, nötig seinen Muskeln eine gewisse Intensität bei gleichzeitig hohem Volumen zu geben. Vielleicht aber weniger als man selbst erwartet. Außerdem werden teilweise im Split Training zu lange Regenerationszeiten gegeben, welche selbst mit Muskelkater zu lange sind (zB. 1 Woche).

Zusammenfassung

Muskelkater sagt nichts darüber aus ob Muskelaufbau angeregt wurde, da diese Schmerzen von den „Muskelhüllen“ kommen. Die Zerstörung dieser steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Zerstörung der Sarkomere, welche für den Aufbau verantwortlich sind.

Verspürt man keinen Muskelkater nach dem Training heißt es aber auch nicht, dass das Training gut oder schlecht war. Denn wie gesagt gibt es „innerhalb“ der Muskelzelle keine Rezeptoren.

Hat man keinen Muskelkater, heißt es auch nicht, dass der Muskel automatisch regeneriert ist und man ihn wieder trainieren kann. Denn innerhalb der Zelle könnten immer noch Verletzungen vorhanden sein. Daher sollte man die Pausentage immer an das Training anpassen.

Optimal um den Muskelkater etwas zu mildern sind leichte Ausdauereinheiten um die Durchblutung anzuregen. Ich finde leichtes Radfahren bei Beinmuskelkater optimal.

Ein Tipp von mir ist, auch gelegentlich auf Muskelkater, normal Kraft zu trainieren. Ihr werdet merken, dass der Muskelkater plötzlich auf wundersame Weise einige Stunden nach dem zweiten Training verschwindet. Zusätzlich ist es mal ein neuer Reiz. Leidet die Technik zu stark darunter (Kniebeugen, Kreuzheben) macht es natürlich keinen Sinn auf Muskelkater zu trainieren. Außerdem gewöhnt sich so schneller euer Körper dran und der Muskelkater wird in Zukunft geringer ausfallen.

Take home message

Versucht eher das Volumen (Satzanzahl) und eventuell die Intensität (nicht immer bis zur letzten Wiederholung) zu reduzieren, um keine unnötigen Zerstörungen im Muskel hervorzurufen. Denn der Aufbau wird ab einem bestimmten Reiz nicht mehr! Trainiert dafür lieber den Muskel öfter, zB. Alle 2-4 Tage. Wie viele Sätze mit welcher Intensität notwendig sind um eine maximale Proteinsynthese anzuregen ist vom Trainingszustand und der Genetik abhängig und kann nicht pauschal angegeben werden.

Versucht euer Training zu protokollieren und steigert mit der Zeit die Intensität (Gewicht und/oder Wiederholungen), das Volumen (Satzanzahl), und oder die Frequenz (Trainingshäufigkeit). Trainiert aber nicht nur mit dem Ziel Muskelkater zu bekommen. Merkt ihr, ihr werdet schwächer im Training, so sind die Pausen zu kurz, oder es wird Zeit für eine Deload Woche. Das ist eine Woche mit weniger Training und reduzierter Intensität. Ebenso solltet ihr alle 8 Wochen den Trainingsplan abändern.

Train smart!